Ich oute mich mal – auf die Gefahr hin, dass die zarteren Gemüter schaudern: Ich stehe auf Blutwurst. Nicht jede und nicht irgendwie zubereitet, aber ich denke, Blutwurst kann etwas unglaublich Feines sein. Der Name und die Assoziation sind etwas abschreckend, ich geb’s zu, aber in meinen Augen hat die unansehnliche Spezialität durchaus das Zeug zum Star auf dem Teller. Und das sage ich nicht nur, weil ich als Kölnerin neben dem Bier in homöopathischen Dosen auch mit dem Traditionsessen „Himmel un‘ Ääd“ sozialisiert wurde. Heute möchte ich Euch zeigen, wie Ihr aus schnöder Blutwurst eine raffinierte Vorspeise zaubern könnt. Knusprig und cremig, fruchtig und herzhaft. „Himmel un‘ Ääd 2.0“ halt!
„Himmel un‘ Ääd“, das ist kulinarisches Kulturgut in Köln: Blutwurst (a.k.a. „Blootwoosch“ oder einfach „Flönz“) wird kross angebraten und mit Kartoffelstampf, Apfelkompott und Schmorzwiebeln serviert. Im eigentlichen Sinne des Wortes muss Blutwurst nichtmal dabei sein, denn es geht um die rheinisch-klassische Kombination von Äpfeln (= Himmel) und Kartoffeln (= Erde). Die besten Begleiter, die man der Blutwurst mit auf den Teller geben kann: Eine kartoffelig-cremige Komponente, die das Fett gut ausbalancieren kann. Und dann natürlich das Apfelkompott, welches einerseits mit seiner Süße perfekt mit der mild-cremig-süßlichen Wurst harmoniert, dem ganzen durch Frucht und Säure aber zusätzlich einen extra Kick gibt. Ihr merkt schon, ich bin tatsächlich ein großer Fan dieses Gerichts. Und der Blutwurst.
Mit der Zutat lässt sich aber auch wunderbar spielen. Zum Beispiel mit einer Surf ’n Turf Version, bei der ich schon letztes Jahr Blutwurst und Jakobsmuschel zusammen mit Apfel und Sellerie auf den Teller brachte. Ich liebe den Kontrast zwischen rustikal und raffiniert einfach!
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„Himmel un‘ Ääd 2.0“ – wie meinen?!
Natürlich hat mein Gericht auf den ersten Blick herzlich wenig mit der klassischen Brauhausküche zu tun. Aber die Grundlagen sind doch dieselben: Herzhaft, fruchtig, salzig, knusprig, cremig. Zu kleinen Pralinen kross ausgebackene argentinische Morcilla, gebackener Chicoree, der mit leichter Bitterkeit die Süße der anderen Komponenten auffängt. Dazu eine Art Chutney aus regionalen Äpfeln und der mild-aromatischen Tropea-Zwiebel (jede andere tut es auch, keine Angst). Das perfekte Dinner würde für mich vermutlich eine Vorspeise dieser Art enthalten. Bodenständig und doch raffiniert.
Ich habe die Kartoffeln des Klassikers mit einer Erbsencrême ersetzt. Einerseits, weil ich den Teller nicht ganz so „schwer“ halten wollte, andererseits natürlich wegen der tollen Farbe! Das Gericht ließe sich natürlich auch mit einer Kartoffel-Mousseline (ein dünnes, cremiges Püree, unter das Sahne gehoben wird) oder einer anderen cremigen Gemüse-Komponente servieren.
Rezept (als Vorspeise für 4 Personen)
Ihr benötigt:
- 240 g Boudin Noir oder Morcilla (bei mir waren es 2 Würste)
- 1 kleiner Apfel
- 1 Zwiebel (Tropea, oder eine andere fruchtig-milde Sorte – die Größe sollte dem Apfel entsprechen)
- 4 kleine rote Chicorees, wahlweise 2 größere
- 2 Tassen junge Erbsen, TK
- 2 Schalotten
- 1 Knoblauchzehe
- Gemüsebrühe, 1 Tasse
- Thymian, ein paar Zweige
- ein Schuss Apfelsaft
- 1 BIO-Zitrone
- 1 EL Zucker
- 2 EL Butter
- 1 Ei
- Pankomehl
- Olivenöl
- Piment d’Espelette
- Salz und Pfeffer
- 0,7 L
- 0,7-1,0 l Speiseöl zum Ausbacken
I. Die Blutwurst-Pralinen vorbereiten
Zieht die Pelle von den Würsten und verknetet die Masse mit ein paar abgezupften Thymianblättchen. Gegebenenfalls könnt Ihr die Masse noch einmal mit Salz und Pfeffer abschmecken, falls sie Euch noch zu „fad“ erscheint. Verquirlt nun das Ei in einer Schüssel und gebt das Pankomehl in einen tiefen Teller. Ich benutze Panko statt Paniermehl, weil man so meiner Meinung nach ein knusprigeres, luftigeres Ergebnis erhält.
Stellt einen großen Teller für die fertigen Pralinen bereit und bestreut ihn mit etwas Panko, damit die Bällchen nicht am Teller haften bleiben. Und nun – let’s roll! Mit den Händen etwa walnußgroße Bällchen rollen und zunächst in Ei, dann in Panko wälzen. Auf dem Teller verteilen und bis zur weiteren Verwendung im Kühlschrank kaltstellen. Ich habe für eine Vorspeise mit 2 Pralinen pro Person gearbeitet.
II. Das Apfel-Zwiebel-Chutney zubereiten
Für das Chutney werden zunächst die Zwiebel und danach der geschälte Apfel sehr fein gewürfelt. Im Anschluss kommt ein guter Schuss Zitronensaft zu der Masse, um ein Anlaufen des Apfels zu verhindern.
Erhitzt das Chutney sachte in einem kleinen Topf (ein kleiner Stich Butter schadet nicht), gebt ein wenig Apfelsaft hinzu und schmeckt es kräftig mit Salz ab. Sobald der Topfinhalt leicht zu köcheln beginnt, kann die Hälfte der Masse aus dem Topf in ein Glas gegeben werden. Dieser Teil sollte noch Biss haben und etwas knackig sein. Den Rest lasst Ihr ein wenig einkochen, bis die Flüssigkeit verdunstet und die Konsistenz weich ist. Ebenfalls ins Glas geben, kurz verrühren und kalt stellen.
III. Chicoree vorbereiten und backen
Der Chicoree wird gewaschen und einmal längst halbiert. Falls Ihr größere Exemplare habt, würde ich sie vierteln. Gebt den Chicoree nun in eine Ofenform, die Schnittflächen nach oben. Gewürzt wird mit Zitronensaft, Olivenöl, einer Prise Zucker, Piment d’Espelette und Salz. Im auf 140 °C vorgeheizten Ofen etwa 45-60 Minuten schmoren. Die Dauer hängt von der Größe und Dicke der Stücke ab.
IV. Die Erbsencrême
Zunächst werden die Schalotten und die Knoblauchzehe grob gehackt und in etwas Butter angeschwitzt. Nun die Erbsen hinzugeben, kurz unter Rühren anschwitzen, mit etwas Gemüsebrühe aufgießen und knackig gar kochen. Dauert knappe 5 Minuten. Die Masse wird mit dem Zauberstab püriert, durch ein feines Sieb passiert und im Anschluss mit Salz, Pfeffer, etwas Butter und einem Schuss Zitronensaft abgeschmeckt. Bis zum Servieren warm halten.
V. Pralinen ausbacken und Teller anrichten
Sobald der Chicoree sich der perfekten Konsistenz nähert (weich, am Strunk aber doch bissfest), gebt Ihr das Speiseöl in einen Topf und erhitzt es. Achtet darauf, dass die Füllhöhe ausreicht, um die Pralinen komplett untertauchen zu lassen. Die Temperatur könnt Ihr ganz einfach mithilfe eines Holzlöffels kontrollieren. Wenn Ihr ihn ins Öl haltet und sich kleine Bläschen bilden und aufsteigen, hat das Öl die richtige Temperatur (170 °C) erreicht und Ihr könnt mit dem Frittieren loslegen. Vergesst nicht, einen Schaumlöffel und einen mit Küchenpapier ausgelegten Teller zum Abtropfen bereitzuhalten.
Wenn Ihr die Pralinen in das Öl gebt, sollte es nach Möglichkeit sofort sprudeln. So sah es bei mir aus:
Die Pralinen aus dem Öl heben, wenn sie braun und kross sind. Auf dem Küchenkrepp abtropfen lassen und ggf. kurz im ausgeschalteten Ofen beim Chicoree bis zum Anrichten warm halten. Nun ganz in Ruhe die Teller mit allen Komponenten schön anrichten.
Bon appetit!
Kleiner Warenkunde-Exkurs zum Schluss: Flönz, Black Pudding, Morcilla, Boudin noir… what’s in a name?
Wie Ihr seht, habe ich mich in den letzten Monaten schon ein bisschen näher mit dem Thema Blutwurst beschäftigt. Und festgestellt, wie viele Varianten und Spielarten es dabei weltweit gibt. Vermutlich so viele Rezepte und Zubereitungsarten, wie es Regionen mit Schweinehaltung gibt. Denn Fakt ist: Beim Schlachten fließt Blut. Und es wäre dumm und unwirtschaftlich vom Bauern, nicht alles vom Tier zu verwerten, selbst wenn es nur ein Nebenprodukt ist. Somit gehört die Blutwurst wohl zu einer der ältesten Wurstsorten. Schon Homer erwähnte sie in seiner Odyssee. Einen schönen Artikel zu dem generellen Thema und dem Spagat der Blutwurst zwischen Arme-Leute-Essen und gehobener Küche findet Ihr übrigens hier.
Im Grunde gibt es nur einige gravierende Unterschiede – abgesehen von der Würzung der Blutwurst. Einerseits die Ratio und „Feinheit“, in der Blut und andere Bestandteile gemischt und verarbeitet werden. Speck und Schwarten sind – zerkleinert – ein wesentlicher Bestandteil der klassischen Blutwurst. In manchen Regionen kommen Semmelbrösel oder Grütze, d.h. geschrotetes Getreide hinzu. Wie fein oder grob die Zutaten in die Wurst kommen, ist regional unterschiedlich. Genauso wie die Frage, ob die Wurst geräuchert wird oder nicht.
Wo ich meine Blutwurst kaufe – Bezugsquellen (unbezahlte Werbung aus Überzeugung)
Mein Rezept sieht eine Blutwurst vor, wie ich persönlich sie am liebsten mag: Feine, weiche Konsistenz, nicht geräuchert. Mild und fein im Geschmack. Bezugsquellen sind natürlich immer so eine Frage. Wer einen heißen Tipp für einen Kölner Metzger hat, möge sich bitte melden! Bisher sind meine Favoriten allerdings zum einen die „Boudin Noir“ aus dem Frischeparadies… schaut einfach mal nach, wo von Euch aus der nächste Markt ist und klingelt vorher durch, um sicherzustellen, dass sie am Tag Eures Basuchs auch da ist. Aber ein Besuch lohnt sich sowieso, versprochen. Die spannendste Obst- und Gemüseauswahl. Außerdem besorgen die Mitarbeiter so ziemlich alles auf Vorbestellung und Anfrage. Auf Platz Nr. 2 liegt die argentinische „Morcilla“, eine Blutwurst, die wir normalerweise zum Grillen besorgen, die aber genau die feine Konsistenz hat, die ich liebe. Erhältlich beim argentinischen Fleisch-Spezialisten, Estilo Argentino.