Es ist mal wieder Donnerstag und dieses Mal habe ich es mit meinem Sarma-Rezept endlich geschafft, einen Post entsprechend zu timen. Das wäre so die nächste Sache, die ich mir vorgenommen habe: Ein donnerstäglicher Beitrag pro Woche. Würde angesichts des Blog-Titels auch irgendwo Sinn machen 😀
Nach dem ganzen Extrem-Kochen der letzten Wochen und der Gewissenserforschung in den letzten Blog-Beiträgen hatte ich in den letzten Tagen das Bedürfnis, mich mal wieder auf die simplen Dinge zurückzubesinnen. Ein Essen, von dem man sich bei dem üsseligen Wetter eine Schüssel von mit aufs Sofa nimmt und das Körper und Seele wärmt. Nicht gedacht für einen schön angerichteten Teller oder einen instagram-Schnappschuss, sondern schlicht und einfach „comfort food“. Dazu kommt, dass ich in der letzten Zeit oft über Essen und Erinnerung nachdenke. Es gibt Kombis und Gerüche, die sich einem unwiderruflich einprägen. Bei mir stammen viele davon aus den Sommern, die ich als Kind und Jugendliche auf dem Hof meiner Großeltern in Kroatien verbracht habe.
Essen und Erinnerung
Was für intensive Geschmäcker und Gerüche das waren. Vielleicht ist es die Nostalgie, die mich das denken lässt, aber gefühlt kommt nix von dem, was man meistens so kocht oder auswärts isst, da heran. Wenn Köche und Lokale es in irgendeiner Form schaffen, genau das bei mir anzusprechen, dann bin ich all in. Massimo Bottura zum Beispiel ♥
ZEITmagazin ONLINE: Was ist das Ziel Ihrer Kochkunst?
Bottura: Ich möchte in den Menschen Erinnerungen wecken. Wenn ein Gericht im erwachsenen Gehirn Erinnerungen an einen Geschmack aus der Kindheit hervorrufen kann, ist das etwas Großes.
Wer ein ganzes Gericht dem besten Teil der Lasagne widmet (= der knuprigen Ecke, um die alle Kinder sich zanken), der hat verstanden, dass es beim Essen und Kochen um etwas anderes geht als nur darum, Zutaten und Aromen geschickt und handwerklich gut zu kombinieren.
Meine Kindheitsgeschmäcker? Frisch gemolkene Milch, die ein bisschen nach Stall schmeckt (auf eine gute Art!), ganz junger Käse, der in Tüchern zum Abtropfen von der Decke hängt. Und: Noch warmes, unter dem Sač gebackenes Brot. Oh, dieses Brot! Und darauf dann Kajmak (der Rahm, der sich bei Abkochen der Milch an der Oberfläche absetzt und abschöpfen lässt) und dick Zucker. Oder heiße, fettige Pita (so heißt bei uns Börek, ein oft herzhafter Strudel, zu dem man eine Art Joghurt/Kefir trinkt). Oder Blitva – eine Beilage aus Mangold, grob zerdrückten Kartoffeln und Unmengen an Knoblauch… Ich könnte ewig weiterschreiben, aber vielleicht sollte ich mal zum eigentlichen Thema dieses Artikels kommen 😀
Sarma vs. Kohlrouladen
In den letzten Jahren habe ich angefangen, diesen Gerichten nachzuspüren und in der Verwandtschaft Rezepte zu sammel. Selbst ausgezogener Pita/Strudel-Teig macht mir keine Angst mehr und mein bosnischer Mokka ist auch ganz passabel. Zeit, meine Mama einzuladen und mir von ihr zeigen zu lassen, wie man Sarma macht.
Das Gericht, das ich heute vorstelle, ist für mich ein ultimatives Kindheits-Essen. So wie für gefühlt 90 % der Menschen aus Osteuropa, der Türkei und wer weiß wo noch, wo es diese Sauerkrautwickel gibt. Jedes Mal zu Weihnachten gibt es bei uns Sarma. Es ist einfach ein ungeschriebenes Gesetz: Selbst wenn man sich ein 4-gängiges Menü überlegt – vorweg gibt es unweigerlich Sarma. Im ganzen ehemals osmanisch dominierter Südosteuropa werden diese Sauerkrautwickel gegessen. In Rumänien sind sarmale Nationalgericht und selbst ein kurdischer Koch-Kollege wusste sofort, was ich mit sarma meinte. Im Gegensatz zu deutschen Kohlrouladen wird Sarma mit eingelegtem Kohl, also Sauerkraut, zubereitet und ist das perfekte Winteressen: Saftig-sauer, deftig und strotzend vor Aroma und Vitamin C.
Glaubt mir, wer immer nur bei Kohlrouladen bleibt, verpasst was! Geht zum nächsten türkischen Supermarkt und fragt nach Kupus – das ist Sauerkraut, das im Ganzen eingelegt wird. Für zwei Köpfe zahlt man um die 3-4 Euro. Macht einen großen (!) Topf und friert Euch einen Teil ein. Oder esst wie ich einfach 2 oder 3 Tage davon 😀 Am nächsten Tag schmecken sie sogar noch besser. Und keine Angst, das Vorbereiten und Wickeln der Dinger ist viel viel einfacher als man denkt, also traut Euch!
Rezept für Sarma (8-12 Portionen)
Was ihr braucht:
- 2 Köpfe Sauerkraut (bekommt man als kupus im türkischen Supermarkt)
- 750 g Hackfleisch, gemischt
- 100 g Pancetta ( = Speck, nur darauf achten, dass es kein geräucherter/gepökelter ist)
- etwa 200 g ungekochter Reis (eine Tasse voll)
- 2 Schalotten
- 1 Knoblauchzehe
- 1 Ei
- 4 TL Tomatenmark
- 2 TL Paprikapulver
- 2 EL Butter
- 4-5 EL Mehl
- Salz und Pfeffer
I. Sarma-Füllung vorbereiten

Zunächst wird der Reis aufgesetzt und bissfest gekocht. In der Zwischenzeit würfelt ihr den Speck und lasst ihn aus. Außerdem werden die Schalotten und der Knoblauch fein gehackt. Das Hackfleisch wird nun mit mit den Schalotten, dem Knoblauch, dem Speck, einem Ei, 1 TL Paprikapulver und 2 TL Tomatenmark verknetet. Der Reis kommt dazu, sobald er ein wenig abgekühlt ist (in der Zwischenzeit könnt ihr Eure Sarma-Blätter vorbereiten). Die fertige Mischung mit Salz (vorsichtig wegen des Specks) und Pfeffer abschmecken.

II. Sarma-Blätter vorbereiten

Nehmt Euch einen Kohlkopf vor und schneidet mit einem Gemüsemesser den Strunk kegelförmig heraus. Der Strunk wird nicht verwendet und wandert in den Müll. Nun könnt ihr den Kohl entblättern und die einzelnen Blätter auseinander legen. Die Adern, die durch die Blattmitte verlaufen, ruhig mit dem Messer etwas glattschneiden, damit die Blätter sich später auch gut rollen lassen. Den Rest grob zerkleinern und in eine Schüssel geben. Mit dem zweiten Kohlkopf ebenso verfahren.

III. Sarma wickeln

Stellt den Topf neben Eure Arbeitsfläche und verteilt eine dünne Schicht geschnittenes Sauerkraut auf dem Boden. So pappen die Sarme (Plural von Sarma) beim Garen nicht auf dem Topfboden fest. Nun nehmt ihr ein Kohlblatt auf die Hand, gebt – je nach Blattgröße – Hackfleisch-Masse auf das untere Ende und drückt es ein wenig flach.
Lasst einen kleinen Abstand zum Blattrand, denn so könnt Ihr die Sarma zunächst von unten einmal umschlagen und die Füllung bleibt stabiler. Nun die Seiten zur Mitte hin einklappen und das Ganze aufrollen. Andere Wickeltechniken sind erlaubt 🙂


Die gewickelten Sarme so in den Topf gesetzt, das die Roulade auf dem losen Blattende liegt. Wenn das Fleisch erst einmal gart und fest wird, bleiben die Wickel heile, also habt keine Angst, dass sie auseinander fallen könnten. Nun weitere Sarme rollen, bis die erste Sauerkraut-Schicht mit einer Lage Sarma bedeckt ist.

Anschließend eine dünne Lage Sauerkraut auf den Rouladen verteilen und weitermachen, bis Blätter und Fleisch verbraucht sind.


IV. Sarma schmoren
Gießt das Ganze mit Wasser auf, so dass auch die obersten Sarme von Flüssigkeit umhüllt sind (bei uns waren es etwa 1,5 Tassen). Nun den Deckel drauf und bei starker Hitze aufkochen. Sobald es kocht, schaltet Ihr den Herd auf eine niedrige Temperatur runter und lasst die Sarma etwa eine Stunde vor sich hin simmern.
V. Umak // der „Guss“
Der letzte Schritt. Damit nicht nur die Sarme schmecken, sondern es auch eine leckere Brühe/Sauce gibt, kommt zum Ende der Garzeit eine Art tomatige Mehlschwitze zu den Rouladen. Dazu 2 EL Butter auslassen. 2 TL Tomatenmark und 1 TL Paprikapulver dazugeben, glattrühren. Das Mehl in diese Mischung geben, anschwitzen und nach und nach mit Wasser zu einer sämigen Sauce verarbeiten. Die Sauce darf ruhig dick sein! Diese Mischung kommt nun zu den Sarme in den großen Topf, bindet die Flüssigkeit im Topf und gibt ihr Geschmack.
Zu Sarma esse ich persönlich am liebsten Kartoffelpüree 🙂 Aber Salzkartoffeln, Polenta etc. gehen natürlich ebenso gut. Wer es deftiger mag, kann übrigens ein Stück Bauchspeck oder Ähnliches vor dem Schmoren zu den Sarme in den Topf geben – sorgt für den extra Umami-Kick!