[Pressereise/Einladung] 8000 Jahre Weingeschichte, archaisch anmutende Amphoren, über 500 autochtone Rebsorten (deren Namen man im Zweifelsfall weder kennt, noch aussprechen kann), der nebelverhangene Kaukasus und eine Küche, an die ich schon am zweiten Tag mein Herz verlor… Die Georgien-Reise im September zur Wiege des Weins war so ziemlich der krasseste Input, den ich seit LANGEM hatte!
Disclaimer vorab: Ich habe mich glaube ich noch nie so Hals über Kopf in eine Destination verliebt. Und bin selten so selig und vollgepackt (ich mit Infos, Eindrücken und Erinnerungen; meine Tasche mit kulinarischen Goodies und Weinflaschen) von einer Reise heimgekommen. 5 vollgepackte Tage hier zusammenzufassen, wird – gelinde gesagt – verdammt knifflig. Wer die Reise etappenweise nacherleben und sich alle Tipps sichern möchte, kann das gerne in meinem Reisebericht auf Instagram tun. Für alle anderen versuche ich es hier!
Fangen wir mit der Einladung an. Schon im Frühjahr flatterte eine Anfrage von “Weine aus Georgien” in mein Postfach. Ob ich Lust hätte, im September mit anderen Creator*innen und Journalist*innen das Weinland Georgien kennenzulernen. Nachdem ich a) einen kleinen Freudentanz hinlegte, dann b) kurz mit meiner Flugangst kämpfte und c) 4 Tage Zugfahrt schweren Herzens verwerfen musste, habe ich „direkt“ zugesagt und den Flug Zukunfts-Jelenas Problem sein lassen 😉
Was ich vorher über Georgien wusste? Nicht mehr, als jeder andere food- und wein-affine Mensch auch. Ich wusste, dass es eines der Länder mit der weltweit längsten Weintradition ist. Dass dort in Ton-Amphoren Wein ausgebaut wird (übrigens von der UNESCO als Weltkulturerbe anerkannt). Und dass die Küche mit käsig-buttrigen Kachapuris und saftig gefüllten Khinkali großartig sein muss.
5 Tage Georgien und Wein – wo muss man hin?
Unsere Reise sollte 5 Tage dauern und startete in Tiflis, der Hauptstadt, die Osten und Westen des Landes verbindet. Mehr als die Hälfte der Zeit sollten wir aber in Kachetien, dem östlichen Teil verbringen, der an Armenien, Aserbaidschan und Russland grenzt. Aus dieser Region stammen nämlich rund 80% der Weine aus Georgien. Am Fuße des Kaukasus wachsen hier autochtone Rebsorten wie Saperavi und Rkatsiteli und auch die berühmte Qvevri-Tradition wird hier seit rund 8 Jahrtausenden (ich komme nicht über diese Zahl weg!) praktiziert und bewahrt.
Tbilissi bei Nacht und Tag
Den Auftakt machte aber Tiflis – oder Tbilissi, wie die Stadt in Landessprache heißt. Ein Tag war zum Erkunden einer Millionenstadt natürlich viel zu kurz – aber wir haben alles gegeben und am ersten Abend schon auf eigene Faust losgelegt. Los ging es mit einem nächtlichen Streifzug der Düsseldorfer Gruppe (der Rest sollte erst nachts eintreffen) nach unserem ersten Abendessen.
Auf der Suche nach (Natur-) Wein Bars landeten wir unter anderem in der Kancelleria (Empfehlung!), tranken georgische PetNats an Mauerbrüstungen und zockten uns ein aaaallerletztes Bier in einer Pizzeria. Seeeehr spät stolperten wir mit einem ersten Schwung von Eindrücken dann zurück ins Hotel. Am nächsten Morgen sammelte unsere Reiseführerin Maka die mittlerweile vollständige und leicht lädierte Truppe (denn übernächtigt waren wir alle) am Hotel ein und wir erkundeten Tiflis bei schönstem Spätsommerwetter tagsüber.
Da die Reise im Zeichen des Weins stand, überspringe ich die Sehenswürdigkeiten Tiflis’, die ihr vermutlich in jedem Reiseführer besser erklärt und zusammengefasst findet. Was ich aber erwähnenswert finde: Die Gleichzeitigkeit von Gegensätzen, die die Stadt ausmachen. Ein altes osmanisches Bäderviertel (schon Puschkin schwitzte hier) neben sowjetischem Brutalismus… neben Malls und Einkaufszentren, die wirkten, als müsse nun endlich jeder Rückstand in Sachen Konsumerismus 7 Tage die Woche in Rekordzeit aufgeholt werden.
Weine aus Georgien in 4 Fakten – Wine Factory N1
Kommen wir zurück zum Wein, Eine Einführung in die Weine aus Georgien bekamen wir in der Wine Factory N1, dem ältesten Weingut Georgiens, welches 1896 mitten in Tiflis gebaut wurde und heute ein Gastro-/Kultur-Hub mit Museum, Bars, Restaurants und Co. ist. Hier erwartete uns Irakli Cholobargia mit einer schlagkräftigen Kombo aus Powerpoint-Präse und Tasting. Was also muss man über georgischen Wein wissen, um bestmöglich in das Thema eintauchen zu können?
Qvevri Weine und was es mit den Amphoren auf sich hat
Nachweislich schon vor 8000 Jahren in Georgien praktiziert und mittlerweile als UNESCO Weltkulturerbe eingetragen – die georgische Qvevri-Tradition. Nicht nur die im Boden vergrabenen Amphoren sind das besondere an den georgischen Qvevri Weinen, sondern auch der Prozess, denn: Anders als im “Westen” werden die Trauben nicht zunächst gepresst, dann zeitnah von Häuten, Kernen etc. getrennt und der Saft schließlich vergoren. Hier dürfen Saft, Häute, Kerne und manchmal sogar Stiele samt und sonders in der Amphore landen. In der Regel fermentieren sie hier für 6 Monate, teils auch bis zu einem Jahr lang, bis schließlich der “fertige” Wein aus der Amphore geholt wird. Der lange Kontakt mit den festen Bestandteilen (georgisch “Chacha”) sorgt für eine spannende Struktur, straffe Tannine und – im Falle von Weißweinen – für die so typische Bernstein-Farbe. Letzteres ist der Grund, dass die weißen Qvevri-Weine auch als Amber Weine bekannt sind.
Georgiens Rebsorten-Vielfalt
Georgien ist das Land der gefühlt 1000 Rebsorten. Und mit 1000 übertreibe ich nicht einmal, denn sage und schreibe 525 autochtone Rebsorten hat dieses Land, welches gerade einmal die Größe Bayerns hat. Davon werden allerdings “nur” etwa 25 für die Weinbereitung im größeren Stil verwendet. Bei kleineren Winzern stolperten wir aber jeden Tag über eine der 500 anderen, oft reinsortig und in Qvevri ausgebaut. Internationale Rebsorten wie Chardonnay, Sauvignon Blanc, Merlot oder Cabernet Sauvignon kommen noch dazu.
Vielfalt der Regionen
Die Lage zwischen Schwarzem Meer und Kaukasus sorgt dafür, dass Georgien zwischen subtropischen Landschaften an der Schwarzmeerküste auch hochalpines Klima oder auch versteppte Landschaften (etwa am Fuße des Kaukasus) zu bieten hat und dementsprehend eine Vielfalt an Rebsorten beherbergt. 24 geschützte Anbauregionen kann man hier finden, 18 davon in Kachetien, also im Osten des Landes, in den sich die Ausläufer des großen Kaukasus erstrecken.
Georgiens Spagat zwischen Russland und “dem Westen”
Georgische Weine sind schon lange Exportschlager des Landes und werden bereits seit Jahrhunderten in Russland geschätzt und importiert. Nach wie vor finden heute 70% der Produktion den Weg nach Russland. Wenn man darüber so nachdenkt, wird schnell klar, wie groß das Interesse im Land daran ist, sich vom übermächtigen Nachbarn freizustrampeln und Unabhängigkeit, sprich den Anschluss an den internationalen Markt zu finden. Neben dem Zusammenbruch des Sozialismus und der Planwirtschaft sowie der besseren Skalierbarkeit auf große Mengen ist das sicher auch ein Grund dafür, dass Betriebe vermehrt mit “europäischen” Methoden arbeiten, d.h. Methoden wie Holzeinsatz, internationale Rebsorten und Co. Das bringt mich zum nächsten Punkt:
Vielfalt an Methoden
Georgien ist berühmt als Wiege des Weins, in dem seit über 8000 Jahren Wein in Qvevri, den archaischen Amphoren, hergestellt wird. Viele denken bei georgischem Wein an Amphoren, die hier Qvevris heißen. Fakt ist aber, dass Qvevri-Weine lediglich 3% der nationalen Weinproduktion ausmachen. Denn: Der Ausbau in Qvevris ist zeit- und arbeitsintensiv. Viele Betriebe setzen auf moderne Methoden im Keller, nutzen Inox-Tanks oder experimentieren mit internationalen Rebsorten. Schon im 19. Jahrhundert öffnete das Land sich und führte diese (damals) neuen Methoden ein. Im Tsinandali Estate sollten wir mehr dazu erfahren.
Ausflug nach Kartli
Nach einem absolut spektakulären, “leichten” (hahaha) Mittagessen in Tiflis ging es für uns zum Chateau Mukhrani, dem ersten Weingut unserer Reise. Sowohl das Weingut als auch Tiflis gehören zur Region Kartlien, die sich im Zentrum Georgiens erstreckt und eher von flachen Landschaften geprägt ist. Das Chateau tauchte nach der Fahrt wie eine Zuckerbäcker-Kulisse vor uns auf und schnell war klar, dass es sich hier um einen Betrieb mit Historie handelte, der – anders als viele Betriebe – nicht erst nach dem Zusammenbruch der UdSSR und der Privatisierung der Wirtschaft entstanden war.
Ein Besuch im Chateau Mukhrani
Bereits seit dem 16. Jahrhundert waren die Prinzen von Mukhrani im Besitz der Ländereien. Ivane Mukhran Batoni war es dann, der in den 1870er Jahren nach Frankreich reiste, um in der Champagne und Bordeaux die Weinherstellung im „westlichen Stil“ zu erlernen und mit diesem Wissen zurück nach Georgien zu kommen. Hier gründete er sein Weingut, welches seitdem existiert und sowohl autochtone als auch internationale Rebsorten anbaut und vinifiziert.
Bereichernd waren nicht nur die Führung durch den Betrieb, bei dem wir unsere ersten Qvevri bestaunen durften, sondern auch die Verkostung und das Gespräch mit Patrick Honnef, der hier seit 2014 lebt und verantwortlich für die Herstellung der Weine ist. Als „externer“ hat er vielleicht den unverbautesten Blick darauf, was das Potential georgischer Weine angeht. Beispielsweise im Hinblick auf Reifung etc. Denn bislang werden die eigenen Weine in Georgien kaum gelagert, sondern eher jung getrunken, so dass man kaum weiß, wie sie sich über mehrere Jahre hinweg entwickeln. Also noch ganz viel Grund, Weine aus Georgien im Blick zu behalten 😉
Über den Gombori-Pass nach Kachetien
Am zweiten Tag ging es dann via Kleinbus von Tiflis aus über den 1600 m hoch gelegenen Gombori-Pass in die Region, aus der rund 80% der Weine aus Georgien stammen und in der 18 der 24 geschützten Herkunftsbezeichnungen liegen: Kachetien.
Dieser östliche Teil Georgiens erstreckt sich entlang der Ausläufer des großen Kaukasus, der ihn vor allzu heftigen Kaltfronten aus dem Norden schützt. Die Landschaft selbst wird vor allem von drei Flüssen bestimmt, deren sich ändernde Läufe über die Jahrtausende für ein spannendes Mikroklima gesorgt haben. Zwei benachbarte Weinberge können beispielsweise ganz unterschiedliche Bodenzusammensetzungen haben und völlig verschiedene Weine hervorbringen.
Tschurtschela, Khinkhali und Qvevri-Brot – Shumi Winery
An trottenden Kühen, alten Klöstern und knatternden Autos vorbei ging es durch die ehemalige Königsstadt Telawi zu unserem ersten Ziel, der Shumi Winery. Durch ein Spalier an Rebzeilen, in denen man immer neue, mit Schildern versehene, Rebsorten bewundern und vergleichen konnte, betraten wir einen regelrechten Erlebnispark für weinaffine Erwachsene 😉
Das Shumi Estate beherbergt nicht nur Georgiens erstes (und recht überschaubares) Weinmuseum, sondern erinnert teils fast an ein Freilichtmuseum. Nach einem Blick in die Marani (das georgische Wort für den Weinkeller, in dem die Qvevri vergraben sind), gab es einen kleinen Workshop in Sachen Kulinarik.
Wir durften zuschauen, wie das berühmte Tonis Puri gebacken wird – eine Art Fladenbrot, welches (ganz ähnlich wie das indische Naan) in einem ausgedienten und angefeuerten Qvevri gebacken wird. Wir durften die nationale Spezialität Tschurtschela zubereiten, so etwas wie das georgische Pendant eines Energieriegels. Auf einer Schnur aufgefädelte und getrocknete Walnüsse werden in eingekochten Traubenmost getunkt und getrocknet, bis sie ausschauen wie unförmige, braune Kerzen. Sogar an den berühmten Khinkhali durften wir uns (mit mäßigem Erfolg) versuchen.
Uralte Tradition meets Marktwirtschaft – Chelti Winery
Bevor es zur (gelinde gesagt: spektakulären) Unterkunft für die kommenden beiden Nächte ging, fuhren wir weiter, um die Geschwister Ana und Andrea auf ihrem Familienweingut zu besuchen. Wie tendenziell alle georgischen Weingüter liegen auch die Anfänge der Chelti Winery in der Zeit nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Entgegen der absurd alten Weintradition, die Georgien sein eigen nennt, ist nämlich die Privatwirtschaft garnicht einmal so alt.
1991 erklärte Georgien seine Unabhängigkeit und seit der samtenen Revolution (in Georgien als „Rosenrevolution“ bekannt) etablierte sich nach Jahrzehnten des Sozialismus hier erst eine stabile Marktwirtschaft. Das heißt im Umkehrschluss aber auch, dass es davor praktisch keine privat geführten Weingüter gab. Wissen, das von Generation zu Generation im Rahmen eines Betriebs weitergegeben wird, ist unter solchen Voraussetzungen natürlich absolut nicht selbstverständlich! Stattdessen ist es in Sachen Wein oft ein Balanceakt zwischen der Rückbesinnung auf die alten Traditionen und einer wahnsinnigen Offenheit gegenüber „von draußen“ akquiriertem Wissen. Die Chelti Winery ist da keine Ausnahme. Anas und Andreas Vater, ein erfolgreicher Banker, gründete den Betrieb 2001 und betreibt ihn heute mit seinen beiden Kindern, die nach ihrem Studium im Ausland nach Kachetien zurückkehrten.
Während des Transfers zum Lopota Lake Resort musste ich noch lange darüber nachdenken, wie anders die Weinszene in Georgien mit mehr Kontinuität und ohne die wilde Privatisierung wohl aussehen würde. Und auch wenn Vergleiche müßig und auch ein bisschen obsolet sind, musste ich immer wieder an die wirtschaftliche Entwicklung auf dem West-Balkan in den 90ern denken, wo über Jahre nahezu ohne staatliche Kontrolle privatisiert und veräußert wurde.
Qvevri-Rühren für Anfänger – Chateau Buera
Dass wir im luxuriösen Resort untergebracht waren, sorgte nicht nur für einen entspannten Ausklang am Kaminfeuer einer der Bars. Am nächsten Morgen konnten wir auch noch bequem fußläufig zum ersten Programmpunkt schlendern: Dem ans Resort angeschlossenen Chateau Buera. Auch hier lernten wir ein relativ junges Weingut kennen, welches 2008 als Teil des Resorts begründet wurde und mit einem Großteil seiner Produktion die 4 Restaurants des Resorts versorgt. Angebaut und verarbeitet werden auch hier sowohl internationale als auch einheimische Rebsorten – eine davon, die für ihre Süße geschätzte Buera, diente des Chateau gar als Namensgeberin.
Nachdem wir bislang nur leere Qvevris zu Gesicht bekommen hatte, war unser aller Highlight sicherlich der Besuch im Keller, wo der gerade gelesene Saperavi in den Amphoren blubberte. Denn grundsätzlich waren wir mit Anfang September genau zur richtigen Zeit im Land: Die Lese war allerorten in vollem Gange oder nahm gerade Fahrt auf. Was wir vorher gehört und gelesen hatten, konnten wir hier live miterleben. Die mit dem gelesenen Wein gefüllten Qvevri waren glücklicherweise nur mit Glasdeckeln verschlossen, so dass wir den glucksenden Wein wunderbar erkennen konnten.
Aber nicht nur das: Wir durften sogar selber anpacken und uns daran versuchen, die gärende Traubenmasse aufzurühren. Dieser Prozess wird nach der Lese tatsächlich noch händisch alle paar Stunden gemacht, um Sauerstoff unter die Masse zu bringen und die Fermentation anzukurbeln.
Begründer des „modernen“ georgischen Weins – Alexander Chavchavadze
Weiter ging es vom Chateau Buera zu einem weiteren beeindruckenden Anwesen: Dem Tsinandali Estate, wo wir den ältesten Weinkeller des Landes besuchen durften. Sagenhafte 210 (!!!) Jahre alt war nämlich die Flasche polnischen Honigweins, die im Keller Alexander Chavchavadzes, zu bestaunen war.
Als Prinz bereiste Alexander Chavchavadzes Europa und brachte von seinen Reisen eine Begeisterung für europäische Weine mit, die er zurück in Georgien kurzerhand in die Tat umsetzte. Auf seinem Anwesen in Tsinandali wurden die ersten georgischen Weine in Flaschen abgefüllt. Und über Prinz Alexander fand das Wissen um die „westliche“ Herstellung von Wein (also beispielsweise das Vergären des reines Traubensaftes) den Weg ins Land.
Wohnzimmer-Tasting bei Chona’s Marani
Ich will mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, aber ich glaube, dass der anschließende Besuch bei Giorgi Chonishvili und seiner Frau nicht nur *mein* Highlight war. Zu liebenswert waren die beiden, zu besonders die Tatsache, dass wir bei den beiden daheim an den Esstisch gebeten wurden und zu elegant und einfach gut die Naturweine, die uns eingeschenkt wurden.
Hinter dem eigentlichen Wohnhaus in Telavi stellt die Familie Chonishvili Weine aus biologischem Anbau unter Verwendung von Qvevri her. Der Name des Weinguts leitet sich dabei von der Kurzform des Nachnamens und dem georgischen Wort für Weinkeller („Marani“) ab. Insgesamt nur 3 Hektar werden hier biologisch bearbeitet. Dass davon ein paar Flaschen tatsächlich den Weg nach Deutschland finden und hier erhältlich sind, wirkt fast absurd, wenn man durch Giorgis wilden Garten in das Hinterhaus geht, welches vermutlich auch in 10 Jahren noch „nicht ganz fertig“ aussehen wird.
Aber die Weine? Wahnsinn. Sauber, fein und elegant. Unseren Favoriten sollte ich am letzten Abend in einer Weinbar in Tiflis spotten und nach Deutschland mitnehmen. Wenn das kein Wink des Schicksals war!
Von 2 auf 700 Hektar – Tbilvino Winery
Wie um uns zu zeigen, dass Georgien das Land der Gegensätze ist, ging es anschließend zur Tbilvino Winery und damit zu einem der größten Betriebe des Landes. Man vergleiche mal bitte die schnuckeligen, ausschließlich in Handarbeit, bearbeiteten 3 Hektar bei Chona’s Marani mit den 700 Hektar der Tbilvino Winery, bei der wir eher die Fortsetzung eines staatlichen Betriebs vor uns hatten.
Natürlich macht es mehr Spaß, sich mit Winzern wie Giorgi und seinem Sohn Mikhail Chonishvili zu beschäftigen (dass die Chona’s-Weine gut waren, das hatte ich mir so sehr gewünscht und mich während des Tastings total gefreut, denn gerade solche Betriebe MÖCHTE man pushen). Fakt ist aber auch, dass Weingüter wie Tbilvino ganz vorne mit daran arbeiten, georgische Weine auch im Ausland bekannt, weil über große Mengen auch zuverlässig *verfügbar* zu machen.
Schlemmen wie die Mönche in Georgien – Nekresi Estate
Leider schon im Dunkeln erreichten wir zum Abschluss des Tages das Kloster Nekresi, an das sich als Nekresi Estate ein Weingut und Restaurant anschließen. Wir alle hätten das historische Kloster gerne bei Tageslicht gesehen (generell versuchten wir, alles an Extra-Kultur in die knappe freie Zeit zu quetschen), aber das Dinner hat uns (= MICH) absolut entschädigt.
Zusammen mit dem sensationell gutem Lunch bei Keto & Kote in Tiflis und dem (über die Bezeichnung konnten wir irgendwann nur noch lachen) „light lunch“ im Tsinandali Estate gehörte auch dieses Abendessen zu meinen absoluten Top 3 in Sachen Kulinarik. Irgendwann ertappte ich mich dabei, meine Nase so tief über dem Teller zu versenken, dass ich die Nasenspitze in der Sauce hängen hatte. Und meine Sitznachbarinnen mit meiner kompletten Euphorie gut entertainte. Also solltet ihr jemals hier in der Nähe sein: Hin da!
Abschied von Kachetien und ein letzter Abend in Tiflis
Der letzte Tag in Kachetien brach an und ein bisschen wehmütig wurde ich schon, wenn ich daran dachte, dass es auch unser letzter Abend in Tiflis sein sollte. Irgendwie fühlte die ganze Tour sich (der erste durchzechte Abend mit Toni und Christiane war daran nicht ganz unschuldig *hehe*) eher nach einer Klassenfahrt an, so entspannt, lustig und nett war es mit den anderen. Obendrein war ich schon längst verliebt in Land, Leute und Essen und habe gestern noch versucht, Daniel von einem Roadtrip über die Türkei nach Georgien nächstes Jahr zu überzeugen.
Immerhin waren wir mittlerweile sattelfest in Sachen georgische Weine. Saperavi und Rkatsiteli hatten wir mittlerweile in allerlei Variationen gekostet und auch Kisi, Mtsvane, Tsitska und Chinuri konnten wir ungefähr verorten. Super, dass unser nächster Stop ein Winzer sein sollte, der sich tatsächlich auf etwas unbekanntere (lol) Rebsorten spezialisiert hatte.
Nur gute Energien in der Marani – Kakha Tchotiashvili
Bevor unser mühsam erlerntes Wissen bei Kakha Tchotiashvili im Tasting mit endemischen Rebsorten wie Simonaseuli, Budeshuri und Co. ordentlich ins Wanken gebracht wurde, folgten wir ihm aber zunächst brav an den 800 Jahre alten Qvevris im Vorgarten vorbei in den Keller. Hier erklärte er uns, wie mühsam die Qvevri vor jeder neuen Lese gereinigt werden müssen. Dass die Qvevri mit einer Schicht Kalk oder Bienenwachs versiegelt wurden, hatten wir in den vergangenen Tagen bereits gesehen
Tatsächlich muss zur Grundreinigung vor der erneuten Verwendung entweder jemand in die Amphore klettern und sie von innen mit Reisigen ausschrubben. Alternativ werden Holzstangen an einem Ende mit Kirschbaumrinde ummantelt und die Qvevri so von oben gereinigt. Sowohl das Johanniskraut der Reisige als auch die Kirschbaum-Rinde sollen antiseptisch wirken.
Außerdem sprachen wir davon, dass eine Sache bei der Weinherstellung absolut essentiell ist: Eine gute Energie! Den sauertöpfischen Nachbarn lässt man also lieber nicht in seine Marani, wenn es zur Sache geht. Stattdessen wird bei der Arbeit mit und in den Qvevri viel gesungen. Ich würde an dieser Stelle so sooo gerne auch auf die faszinierende polyphone Musiktradition Georgiens eingehen. Aber ich fürchte, mein Bericht hier sprengt des Rahmen eines Blogposts ohnehin. Wer sich da hineinlesen – und vor allem -HÖREN! – möchte, findet hier einen einfachen Zugang ins Thema.
Support ist kein Mord – Teliani Valley
Den Abschluss des Programms machte dann wieder einer der „Big Player“: Teliani Valley. Bis zu 14 Millionen Flaschen werden hier jährlich für den georgischen Markt, vor allem aber auch den Export hergestellt. So findet man die Weine beispielsweise auch bei Rewe, Edeka oder Lidl in Deutschland. Neben den Weinen und dem – mal wieder, was soll ich sagen? – wahnsinnig üppigen Lunch (diesmal dabei: traditionelles georgisches Schaschlik, a.k.a. „Mzwadi“) erzählten Shota und Elza von den Herausforderungen, mit georgischen Weinen auf der internationalen Bühne wahrgenommen zu werden.
Denn natürlich kann man mit der Qvevri-Tradition wunderbare Geschichten erzählen (und die Weine sicherlich auch gut an ein nischiges Publikum verkaufen) – wie aber überzeugt man den Rest der Welt davon, dass auch „modern“ ausgebaute georgische Weine abseits der Qvevri-Exotik eine breite Masse ansprechen können? Spannendes Thema! Vor allem, weil in solchen Gesprächen immer der Wunsch mitschwang, sich endlich endlich aus der Abhängigkeit von Russland befreien zu können.
Zum Schluss kamen wir aber auch noch auf ein tolles Projekt des Betriebs zu sprechen: Unter dem Label „Wine people“ werden gezielt Kleinstbetriebe mit spannenden Weinen ausgewählt und auf den Markt gebracht, um kleinen oder jungen Winzern mehr Sichtbarkeit zu geben. So ein schöner und solidarischer Gedanke, der gleichzeitig ein toller Schlussakkord für das Ende des offiziellen Teils unserer Reise war!
Ein (vorerst!) letzter Abend in Tiflis
Und dann ging es auch schon für die letzten Stunden nach Tiflis. Und in die wurde gepackt, WAS nur ging. Express-Shopping in einer der städtischen Markthallen (wo ich diverse Kilo! Gewürze und fermentierte Pflaumensauce ergatterte), schlendern durch die Innenstadt, tatsächlich noch ein Abstecher zur Boutique eines georgischen Designers. Kurzer Stop im Hotel Moxy und ab mit der Zahnradbahn ganz nach oben zum Fernsehturm, um beim Essen einen letzten Blick auf die Stadt zu werfen.
Anschließend: Bar Crawl durch die lauen Straßen der Stadt – selbst die Kandidaten, die nachts noch ihren Rückflug hatten, kamen auf ein paar Flaschen Pet Nat und Craft Bier mit. <3 Schlafen, Flughafen, schlimmster Flug ever, den ich immer noch zu verdrängen versuche, und Deutschland hatte mich wieder.
Was bleibt: Ich will lieber heute als morgen zurück! Auch 6 Wochen später gucke ich mir ab und zu das IG-Highlight an und frage mich, ob ich Daniel wohl zu einem Trip überredet bekommen. Um beim nächsten Mal noch ein bisschen tiefer einzutauchen. Den subtropischen Westen und die Schwarzmeerküste zu besuchen. Mir Zeit für die uralten Klöster zu nehmen, noch mehr Zeit in Tiflis zu verbringen. Die alte Königsstadt Telawi mit Muße zu besuchen und den Kaukasus ohne Nebelschwaden am Horizont zu sehen. Aber bis dahin heißt es: Madloba, Sakartvelo! Hab mich nicht zu knapp verliebt und werde wiederkommen!